16.03.2022 12:24 Alter: 3 Jahre
Category: Zucht und Aufzucht

Hundezucht am Scheideweg

Foto©shutterstock.com/Susan Schmitz
Foto©shutterstock.com/Susan Schmitz

Züchterische Raritäten dürfen nicht wegen ihrer Abnormität als Zuchterfolg/Zuchtziel gewertet werden. Rassehundezucht -auch Mix-Hunde-Zucht- MUSS dem Ziel einer gesunden Nachzucht entsprechen.
Wir rufen Ihnen dieses klare Statement unseres Verbandes hier zum wiederholten Male -und zwar eindringlicher denn je- ins Gedächtnis.
Leider, aus gegebenem Anlass: Denn das Verbandszuchtbuch wird mittlerweile immer häufiger damit konfrontiert, dass mit zunehmendem Tempo -und zwar in kürzester Zeit- durch menschliche Unvernunft, Achtlosigkeit, Ignoranz und ja, auch aus Geldgier, einzelne Hunderassen vor einem traurigen Niedergang stehen.

Wenn Sie nun denken, die vorgenannte Behauptung sei übertrieben, dann können wir Ihnen auf den folgenden Seiten gnadenlos das Gegenteil beweisen. Der geneigte Leser möge bitte erkennen, dass es unserem Verband wirklich fern läge, sorgfältige, überlegte, erfahrene, begeisterte Hundezüchter und Hunde-Liebhaber, mit den bloßen, gewissenlosen Vermehrern, zu vermengen. Das wäre die falsche Botschaft.

Aber auch in dem Bewußtsein, dass gerade diejenigen, die sich unmißverständlich angesprochen fühlen sollten, die anschließenden Ausführungen vielleicht pikiert überblättern, hegen wir trotzdem die Hoffnung, dass der/die eine oder andere damit beginnt, sich der vermeidbaren, lebenslangen Leiden und Schmerzen bewusst zu werden, die durch rein menschliches Profitdenken, einem Hund (dem besten Freund des Menschen) aufgebürdet werden. Die Pflicht eines jeden seriösen Rassehunde-Vereins und Zuchtbuches muss es sein, die existierenden, gesunden Zuchtlinien vor dem Risiko Qual-gezüchteter „Modeerscheinungen“ zu schützen.

Selbst Fachleuten gelingt auf den ersten Blick möglicherweise nicht sofort, nachteilige Faktoren bei einem denkbaren Zuchtpartner zu erkennen – von der Flut der sogenannten „Zuchtpapiere aus aller Herren Länder/Vereine“ gar nicht zu sprechen… 

Das geflügelte Wort, worin „Schönheit im Auge des Betrachters liegt“, gilt natürlich nicht nur zwischen Menschen, die sich attraktiv, oder abstoßend finden können. Nein, das Urteil über „schön“ oder „scheußlich“, treffen Menschen über alles und jeden – daher selbstverständlich auch über einen Hund. Doch was ist das menschliche Urteil über Schönheit oder Ungestalt wirklich wert, wenn krankmachende Faktoren gezielt ausgenutzt werden, um auf den Zug der aktuellen Modeströmung aufzuspringen und die ‘auffälligsten’ Welpen an auffällige Hundekäufer, zu höchst-auffälligen Welpenpreisen verkaufen zu können? Ehemals robuste, langlebige, gesunde, agile und liebenswerte Hunderassen werden einem fragwürdigen Klientel geopfert.

Das Szenario:

Man verpaare einen zittrigen, nasen- und rutenlosen Hund, mit einem bunt-gescheckten, blau- oder gelb-äugigen (am besten blau UND gelb oder rot) Partner – und das Unikat ist perfekt.

Dass der seinerseits ‘blauäugige’ Käufer mit seinem Vierbeiner, Dauergast in der Tierarztpraxis sein wird, spielt keine Rolle. Hauptsache, das genetische „Wundertier“ wurde gewinnbringend an den Mann/die Frau gebracht.

Kurzhaar-Dackel in der Fehlfarbe BLUE AND TAN mit blauen Augen! Wer sich nur nach dem Optischen für einen Kauf entscheidet, finanziert damit einen skrupellosen Züchter! Foto@shutterstock.com/Ada Lovelace
Kurzhaar-Dackel in der Fehlfarbe BLUE AND TAN mit blauen Augen! Wer sich nur nach dem Optischen für einen Kauf entscheidet, finanziert damit einen skrupellosen Züchter! Foto@shutterstock.com/Ada Lovelace
Es geht noch schlimmer: Ein Kurzhaar-Welpe aus einer Piebald x Tiger-Verpaarung. Fotos©shutterstock.com/Ada Lovelace; shutterstock.com/Nataliya Sdobnikova
Es geht noch schlimmer: Ein Kurzhaar-Welpe aus einer Piebald x Tiger-Verpaarung. Fotos©shutterstock.com/Ada Lovelace; shutterstock.com/Nataliya Sdobnikova

Der Gipfel der Dreistigkeit ist erreicht, wenn die genetisch-gesundheitlich gezeichneten Tiere als „normal“, ja besonders „herausragend“ und zur Nachzucht als „Idealpartner“ angepriesen werden.

Um dem ganzen Nachdruck zu verleihen, wollen wir den wahren Beweggrund dieser Argumentation aus einem Verkaufsinserat für einen Französischen  Bulldog-Rüdenzitieren: „Hochprämierter Bulli-Rüde, blue-merle-tan, in qualifizierte Hände abzugeben. Preis mit Deckrecht (f.d.Verkäufer) € 3.000 – ohne Deckrecht € 8.000.“

Wer auch nur geringste Kenntnis zur genannten Rasse besitzt, weiß – dass BLUE-MERLE oder SCHOKO-/bzw. LILAC- MERLE sowie black & tan, silber-, anthrazit- oder isabellfarben, rein gar nichts in der Rasse (wie bei so vielen anderen) zusuchen hat.

Doch die Französische Bulldogge, die durch ihre Rundköpfigkeit und ihren gedrungenen Körperbau sowieso mit diversen, standardbedingten Beschwerden in Verbindung gebracht wird, ist nicht die einzige Rasse, die züchterisch am Abgrund steht.

Noch etwas gemäßigter, aber ebenfalls bereits in deutlicher Schieflage, befindet sich derzeit die Dackelzucht – man möchte es kaum glauben!Der Dackel gehört nach wie vor zu einer der beliebtesten Hunderassen in Deutschland. Und, die Zuchtbasis ist gewachsener, breiter, als im Vergleich zur Französischen Bulldogge.

Dennoch:

Seit Jahrzehnten wurden unserem Zuchtbuch zahlenmäßig nicht mehr so viele Verpaarungen mit „Tiger“-Dackel gemeldet, als in den vergangenen zwei Jahren – ausgelöst durch den Corona-Boom.

Mittlerweile sind „blue and tan“-Nachkommen mit blauen Augen, sogenannte „Piebald-Merle“- oder „Blue-Piebald“-Dackel der Renner. Lukrativ vermarktet als amerikanische Dackel, finden sich auch hierzulande gerne exzentrische Käufer. Auch cremefarbene (vor allem langhaar) Dackel mit braunem bis rosa Pigment, stehen unver- ständlicherweise hoch im Kurs.

Wer sich für einen Dackel aus amerikanischer Linie zur Nachzucht entscheiden möchte, sollte übrigens daran denken, dass man in den USA nicht nur die vorerwähnten Farbvarianten und -verpaarungen zulässt, sondern auch Kurz-, Lang- und Rauhhaar vermischt.

Die Zuchtbücher werden möglicherweise in absehbarer Zeit dazu gezwungen sein, vor Zuchtfreigabe, DNA-Untersuchungen zur Haarart und -Farbe vornehmen zu lassen.

Der Langhaar-Dackel ist rein zu züchten; eine Verpaarung zwischen Kurz- und Rauhhaar-Dackel ist möglich.

Die Skrupellosigkeit und Sorglosigkeit, mit denen stabile und langlebige Hunderassen und ihre gewachsenen Zuchtlinien, aus reiner Profitgier in kürzester Zeit, absichtlich zu gesundheitlichen Risiko-Patienten gezüchtet werden,  ist unbegreiflich – ja verwerflich.

Um eine gesetzlich verbotene Tiger- x Tiger-Verpaarung auszuschließen, ist der genetische Nachweis der Merle-Gen-Freiheit obligatorisch, sobald eine entsprechende „Tiger-Variante“ in der Ahnenreihe auftaucht, oder einer der Zuchtpartner selbst eine Tigerung aufweist.

Bedauerlicherweise sind die Nachzuchten von Dackel und Französischer Bulldogge nicht die einzigen, die von äußerst bedenklichen Farbvarianten bedroht sind.

Schon vor etlichen Jahren tauchten Merle-Gen-Träger bei Chihuahuas auf, wie auch in der Pudel- und Cocker-Spaniel-Zucht.

Nicht zu vergessen, die silber-, charcoal- und isabellfarbenen Labradore bzw. der „Pink-Mops“. Bei letzterem handelt es sich um extrem aufgehellte Varianten (bis weiß) mit fehlendem Pigment an Lefzen, Augenrändern usw. – also Albinos.

Lesen Sie bitte weiter unter: Risiko Fell-/Fehlfarben...

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