10.03.2022 12:10 Alter: 3 Jahre
Category: Zucht und Aufzucht

"Spiel mit dem Feuer" – der bunte Hund

Merle-Hunde – Schecken – verblasste Farben

Auffällig? Ja, aber um welchen Preis? Foto©shutterstock.com/cynoclub
Auffällig? Ja, aber um welchen Preis? Foto©shutterstock.com/cynoclub

Sie haben eines gemeinsam:


Das Risiko, lebenslang ein kranker, Leid geplagter Patient zu bleiben, mit verminderter Lebenserwartung und einem "Hundeleben außer der Norm“.

Beginnen wir mit den Rassen, in denen die Merle-Färbung vorkommt und nach jeweiligem Standard akzeptiert wird.

Diese nachstehenden Rassen dürfen ausschließlich mit einem Merle-Gen-freien Zuchtpartner (nach Gentest) verpaart werden:



  • Australian Shepherd
  • Beauceron
  • Bergamasker Hirtenhund
  • Bobtail (Old English Sheepdog)
  • Border-Collie
  • Dackel
  • Deutsche Dogge
  • Langhaar- und Kurzhaar-Collie
  • Mudi
  • Norwegischer Dunker
  • Pyrenäenschäferhund
  • Sheltie
  • Welsh Corgi Cardigan

In der nachfolgenden Rassen-Auflistung werden immer häufiger -inoffiziell- Merle-Farben gezüchtet, die in den Standards absolut abzulehnen sind:

  • American Cocker Spaniel
  • Bearded Collie
  • Berger de Savoie (Berger des Alpes)
  • Chihuahua
  • Cocker Spaniel
  • Englische Bulldogge
  • Fox-Hounds
  • Französische Bulldogge
  • Havaneser
  • Labrador-Retriever
  • Prager Rattler
  • Pudel – alle
  • Schnauzer – alle
  • Zwergspitz (Pomeranian)

Die Frage, die man sich stellt ist folgende: Weshalb werden in der zweiten Auflistung  (die unvollständig ist, weil es rund 400 weitere anerkannte Rasse-Standards gibt), Merle-, Piebald oder auch Farbverdünnungen im verbindlichen Standard abgelehnt?

Dieser Frage wollen wir etwas genauer auf den Grund gehen.

Die wichtigste Antwort ist, weil es nicht nur DAS Merle-Gen und ‘ein daraus resultierendes’ Farbspiel gibt.

1. Basis-Wissen:

Der Ausdruck Merle-Faktor bezeichnet eine Mutation auf dem Chromosom 10 des Hundes, auf welchem das SILV-Gen, auch Silver-Locus bezeichnet, liegt.

Die Vererbung des Gendefekts geschieht nun dadurch, indem ein kleines Stück der DNA, das eigentlich nicht an diesen Ort im Genom gehört, in den Silver-Locus integriert ist. Diese sogenannte SINE-Insertion (short interspersed nuclear element), enthält ein unterschiedlich langes Stück der DNA, das nur aus einem DNA Baustein besteht.

Daraus folgt: Je länger dieses spezielle Stück DNA ist, desto stärker ist die Merle-Färbung ausgeprägt.

Der erwähnte Defekt im SILV-Gen beeinflusst das Pigment Eumelanin, das zusammen mit Phäomelanin für die Fellfarbe verantwortlich ist.

Eumelanin sorgt für die schwarze und braune Fell- und Augenfarbe.

Französische Bulldogge in der Fehlfarbe blue-merle und mit blauen Augen! Foto©shutterstock.com/Lesya Pogosskaya
Französische Bulldogge in der Fehlfarbe blue-merle und mit blauen Augen! Foto©shutterstock.com/Lesya Pogosskaya
Zum Vergleich: Standardgemäße Französische Bulldogge. Foto©shutterstock.com/Eric Isselee
Zum Vergleich: Standardgemäße Französische Bulldogge. Foto©shutterstock.com/Eric Isselee

Wird die Entstehung von Eumelanin im Körper des Hundes gestört, können sich an unterschiedlichen Körperregionen des Tieres keine dunklen Pigmente bilden und das Fell wird hell (schwarz wird grau und braun wird rot) und so entsteht das auffällige Muster im Merle-Fell.

Phäomelanin wird von diesem Gendefekt nicht berührt.

Dieses Pigment bewirkt die rötlich-braune Fellfarbe, weshalb Bereiche, deren Farbe von Phäomelanin bestimmt wird, durchgängig rotbraun gefärbt sind.

2. Wie funktioniert die Vererbung des Merle-Gens

a) Das Merle-Gen wird NICHT durch das Geschlecht bestimmt (Fachausdruck: autosomal intermediär).

b) Würde man einen reinerbigen Merle-Hund  mit einem Hund ohne Merle-Gen verpaaren, entstehen Nachkommen mit der typischen Merle-Färbung.

Reinerbige Merle-Hunde nennt man homozygot (M/M), die allerdings höchstwahrscheinlich schwerste Missbildungen aufweisen, also auf keinen Fall zur Verpaarung zugelassen sind.

c) Hunde mit gemischtem Erbgut werden heterozygot genannt.

Sie verfügen jeweils über ein gesundes und ein mutiertes Gen (M/m). Diese Vermischung aus gesundem und mutiertem Gen, sorgt für normal gefärbte und melierte Bereiche im Fell.

d) Würde eine Verpaarung zweier Hunde mit Merle-Färbung (M/m x M/m) vorgenommen, treten bei 25% der Nachzucht schwere genetische Defekte auf.

Diese 25% (also ein Viertel eines Wurfes), fällt nämlich wieder als ‘reinerbiger Merle’, d.h. homozygot, mit hochgradigen Missbildungen.

e) Heterozygote Merle-Hunde (M/m) dürfen folglich ausschließlich mit Merle-Gen-freien Partnern verpaart werden.

Und zwar, ist VOR einer geplanten Verpaarung beim Zuchtpartner ein Bluttest oder Wangenabstrich beim Tierarzt zu veranlassen. Eine Verpaarung auf „gut Glück“ ist reine Tierquälerei und zurecht nach dem Tierschutzgesetz verboten/ strafbar!

Gesunder oder kranker Merle-Hund?

1.) Außerordentliche Achtsamkeit ist von Hundehaltern/-züchtern angesagt, bei Rassen mit sehr heller, oder weißer Fellfarbe!

Die Merle-Scheckung kann nämlich durch die weiße Fellfarbe überdeckt sein. Diese Hunde werden als versteckte Merles (auch Hidden- oder Phantom-Merle) bezeichnet.

Rufen wir uns ins Gedächtnis:

Eumelanin sorgt für die schwarze und braune Fell- und Augenfarbe. Weißen und sehr hellen Hunden, fehlt aber diese Pigmentiertung; d.h., das ‘typische’ Merle-Muster ist nicht erkennbar.

Dogge -homozygoter Weißtiger- mit schwersten Fehlbildungen! Foto©Eimann/wikimedia commons
Dogge -homozygoter Weißtiger- mit schwersten Fehlbildungen! Foto©Eimann/wikimedia commons
  • Wird aus Fahrlässigkeit tatsächlich eine Verpaarung eines „Hidden-Merle“-Hundes (= M/m) mit einem Merle-Träger (= M/m) vorgenommen, entstehen wiederum homozygote, also reinerbige, Weißtiger (M/M).

    Bei den Nachkommen aus einer entsprechenden Verpaarung, treten folglich Missbildungen der Augen, wie Mikrophthalmie (ein zu kleiner Augapfel), sogar fehlende Augen, Kolobome (Spaltbildungen der Augenhäute) und entrundete Pupillen (genannt: Dyskorie) auf. Diese Hunde sind blind und taub.
  • Im weiteren leidet diese Nachkommen-Generation unter Skelett-Deformationen – sowie
  • Missbildungen an den Geschlechtsorganen und dem Herzen.
  • Die Lebenserwartung ist ausdrücklich verkürzt.


Gibt es Risiken bei heterozygoten, also mischerbigen Merle-Hunden (M/m)?

Eindeutig: Ja – leider! Auch mischerbig veranlagte Hunde sind durch den Gendefekt beeinträchtigt.

Wie schon bei den Weiß-Schecken (wie bereits vorstehend beschrieben), sollten sich im Innenohr stark pigmentierte Melanozyten befinden, die allerdings wegen der Genmutation (dem Merle-/bzw.SILV-Gen) verändert werden. Die Folgeerscheinungen sind:

a) Störungen des Gleichgewichtssinnes

b) 37% der Hunde haben einen stark eingeschränkten Gehörssinn und

c) generell ist die Welpensterblichkeit erhöht.

Ein Border-Collie in der Fehlfarbe white with blue merle markings. Das Ergebnis einer extremen Merle-Verpaarung. Gesunde, verantwortungsvolle Rassehundezucht sieht anders aus! Foto©Geobard/wikimedia commons
Ein Border-Collie in der Fehlfarbe white with blue merle markings. Das Ergebnis einer extremen Merle-Verpaarung. Gesunde, verantwortungsvolle Rassehundezucht sieht anders aus! Foto©Geobard/wikimedia commons
Amerikanischer Cocker-Spaniel in „red-merle“. Der extreme Pigmentverlust zeigt sich allein in den blauen Augen. Foto©ItsWolfeh/wikimedia commons
Amerikanischer Cocker-Spaniel in „red-merle“. Der extreme Pigmentverlust zeigt sich allein in den blauen Augen. Foto©ItsWolfeh/wikimedia commons

Last but not least – KRYPTISCHER
und GELBMANTEL-Merle

Kryptischer Merle:

Bei dieser Merle-Version ist augenscheinlich KEINE Merle-Musterung in der Fellfärbung erkennbar.Warum? Der kleine DNA-Baustein (SINE) ist nämlich derart ‘kurz’, dass sich dietypische, partielle Fellaufhellung im äußeren Erscheinungsbild nicht zeigen kann. Der Hund trägt dennoch die Genvariante M/m in sich.

Ein ‘normal-farbener’ Hund kann demnach das riskante Merle-Gen tragen und im schlimmsten Fall, mit einem erkennbaren Merle-Partner (wiederum M/m) verpaart werden. So würde ein Wurf der gefürchteten, reinerbigen Merle-Welpen (M/M) fallen – mit allen tragischen Folgen für den Nachwuchs.

Gelbmantel-Merle:

Abschließend und der Vollständigkeit halber, sei auf keinen Fall unerwähnt, dass es ein weiteres Gen gibt, das sich auf das Farbspiel eines Hundes auswirkt und in Verbindung mit dem Merle-Faktor eine hochriskante Kombination ergibt.

Die Rede ist vom e-Lokus, der im Erbgut an einer anderen Stelle als das SILV-Gen angelegt ist. Ist das Merkmal reinerbig, wird das Haarkleid gelblich gefärbt sein.

Die Gelbfärbung entsteht dadurch, dass nur Phäomelanin im Hund produziert wird. Genau wie beim „Hidden-Merle“, wirkt sich das Merle/oder SILV-Gen lediglich auf das Eumelanin aus (schwarz und braun).

Da sich das SILV-Gen nur auf Eumelanin auswirkt und es in Hunden z.B. mit dem Farbspiel gelb oder gelb-weiß kein Eumelanin gibt, ist der Defekt im SILV-Gen (das Merle-Gen) äußerlich nicht zu erkennen.

Bei Rassen in denen sowohl das Merle-Gen, als auch der e-Lokus akzeptiert wird (z.B. Welsh Corgi-Cardigan) besteht das Risiko, dass ein ‘normaler Merle’ mit einem nicht erkennbaren Merle-Partner verpaart wird. Die Folgen wären wiederum reinerbige (homozygote) Weißtiger.

Wenn das IRJGV-/IDG-Verbandszuchtbuch heute Ahnentafeln von „Fremdverbänden“ in Händen hält, muss häufig mit Entsetzen festgestellt werden, dass keinerlei Skrupel bestehen, Blue-Merle mit Zobel-Weiß zu verpaaren, oder sogar Tiger x Tiger-Verpaarungen vorzunehmen. Wie schon mehrfach angeführt, kann KEIN Züchter, KEIN Rassehundeverband das geringste Interesse daran haben, kranke Tiere geplant/bewusst zu züchten (besser: zu vermehren).

Diese enormen Strömungen bedrohen nicht nur gesunde, wesensfeste und robuste Zuchtlinien, sie zerstören sie auf lange Sicht. Und sie zwingen unseren Verband dazu, weitere und weitergehende Maßnahmen zum Schutz der gesunden Rassehundezucht zu ergreifen. Wir halten Sie dazu auf dem Laufenden.

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