28.11.2022 08:40 Alter: 2 Jahre
Category: Der Hund im Recht

Genehmigter Wurf gibt keine Sicherheit

Ein Züchter muss selbst darauf achten, das ihm Mögliche zu tun, gesunde Hunde zu züchten. Er darf sich hier nicht auf eine Verpaarungsgenehmigung seines Zuchtverbandes verlassen. Dies ist die Quintessenz einer Entscheidung des Landgerichts Heidelberg vom 15.11.2017.

Darum ging es:
Der Kläger macht Rückabwicklungs- bzw. Schadensersatzansprüche aus einem Kaufvertrag über einen Hund geltend. Die Beklagte züchtet Hunde der Rasse Boxer. Die Beklagte veräußerte an den Kläger den Boxerrüden „H“. Der verkaufte Rüde wurde Mitte Oktober 2011 geboren. Im Jahr 2012 wurde das Tier mehrfach tierärztlich behandelt und schließlich eingeschläfert. Der Kläger hat behauptet, dass der Boxerrüde an Darmkrebs erkrankt gewesen sei. Diese Darmkrebserkrankung habe ihre Ursache in dem überhöhten Inzucht- und Ahnenverlustkoeffizienten des Tieres. Die Beklagte habe sich bei der Zucht nicht an die für sie geltende Zuchtordnung gehalten, hierüber habe der Kläger aufgeklärt werden müssen. Mit seiner Klage macht der Kläger daher die Rückzahlung des Kaufpreises sowie sämtliche von ihm aufgewendeten Behandlungskosten und Kosten für eine Tierschutzversicherung geltend.

Das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Professor Dr. Distl und in der Folge der Klage zum Teil stattgegeben. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten Anspruch auf Schadensersatz. Ihm stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu, darüber hinausgehende Ansprüche des Klägers bestünden demgegenüber nicht. Das AG hat ausgeführt, dass ein Mangel an dem streitgegenständlichen Boxerrüden vorläge. Dieser bestünde darin, dass das Tier nach Aussage des Sachverständigen einen weit überhöhten Inzuchtkoeffizienten (32,11%) aufweise, infolge dessen es bei Boxern zu einer signifikant höheren Welpensterblichkeit infolge von Infektionskrankheiten komme. Paarungen bei denen ein entsprechender Inzuchtkoeffizient zu erwarten sei, seien in der Hundezucht generell nicht zugelassen. Eine Zucht lege artis sei daher nicht erfolgt. Auch wenn es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres nicht gehöre, dass dieses in jeder Hinsicht einer biologischen Idealnorm entspräche, so handele es sich bei dem vorliegenden Inzuchtkoeffizienten des Tieres nicht mehr um eine bei Lebewesen übliche, aber noch in der Norm befindliche Streuung. So würde kein Kaufinteressent, der über diese Umstände aufgeklärt würde, ein entsprechendes Tier kaufen. Weitergehende Ansprüche wegen der Darmkrebserkrankung des Hundes bestünden dementgegen nicht, da der Sachverständige keinen erwiesenen Zusammenhang hinsichtlich dieser und dem erhöhten Inzuchtkoeffizienten des Hundes bestätigt habe.

Eine Nachbesserung war nicht möglich, da der Inzuchtkoeffizient nicht mehr zu ändern war. Aber auch die Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache scheidet vorliegend aus. Zwar ist beim Stückkauf die Ersatzlieferung nicht schon von vorne herein auszuschließen, sondern es ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt. Überdies kann auch im Fall einer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewollten Austauschbarkeit die Nachlieferung aufgrund einer zwischen Übergabe des Tieres und Mangelauftritt entstandenen emotionalen Bindung ausgeschlossen sein. Vorliegend spricht bereits viel dafür, dass beim Kauf eines jungen Welpen als Haustier, das der Käufer regelmäßig gerade zum Zweck des Aufbaus einer emotionalen Beziehung zu diesem erwirbt, eine Ersatzlieferung von vorne herein ausgeschlossen sein dürfte. Der Kläger hat zudem vorgetragen, eine enge emotionale Bindung zu dem streitgegenständlichen Hund aufgebaut zu haben. Dass eine solche emotionale Bindung vorliegend bestand, zeigt sich nach Auffassung der Kammer auch bereits daran, dass der Kläger den Hund umfänglich tierärztlich versorgen ließ und somit sowohl einen hohen zeitlichen als auch wirtschaftlichen Aufwand für den Hund aufbrachte. Der Hund war damit für den Kläger jedenfalls nicht durch Lieferung eines anderen Hundes austauschbar.

Die Beklagte hat den Mangel des erhöhten Inzuchtkoeffizienten zu vertreten. Die Beklagte konnte nicht beweisen, dass sie den Mangel des Hundes nicht kannte bzw. nicht kennen musste oder diesen nicht zu vertreten hatte. Die Beklagte hätte als Züchterin jedenfalls wissen müssen, dass die von ihr vorgenommene Paarung zu einem überhöhten Inzuchtkoeffizienten führt – das Gericht verstieg sich dann aber – angestiftet durch den Sachverständigen – noch zu der Aussage, dass dies in der Hundezucht generell nicht zulässig sei. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie die Vorgaben der Zuchtordnung des Boxer-Klub e.V. München eingehalten habe und der zuständige Zuchtleiter die Einhaltung der Bestimmungen bestätigte. Denn zum einen sei nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Distl die Verpaarung, aus welcher der streitgegenständliche Hund hervorging, auch nach der Zuchtordnung des Boxer-Klub e.V. München als sehr bedenklich anzusehen. Zum anderen entbinde auch eine Bestätigung des Zuchtleiters die Beklagte nicht von ihrer Pflicht gegenüber Käufern ihrer Welpen nur Verpaarungen vorzunehmen, die in der Hundezucht zugelassen sind. Diese Ausführungen überzeugen zwar nicht, schon weil hier allein auf die Meinung des Gutachters abgestellt wird und diese dann zirkelschlussmäßig zur Begründung herangezogen wird, und damit auch die Vorgabe des BGH, nachdem ein Züchter, der sich an die Zuchtordnung hält – und dies sollte eigentlich der Zuchtverband entscheiden – kein Verschulden trifft. Selbst wenn ein Gutachter nachher meinen sollte, der Zuchtverband habe falsch entschieden, so müsste sich der Züchter doch darauf verlassen dürfen. Es bleibt also abzuwarten, ob andere Gerichte dies ähnlich sehen oder sich die hier vertretene Auffassung durchsetzt.

Auch nicht überzeugt die Ansicht des Gerichts, die Nacherfüllung sei ausgeschlossen, da der Kläger den Inzucht-Mangel erst nach dem Tod des Hundes entdeckt habe. Das Thema Inzucht hat sich nach Feststellung des Gutachters nicht sicher oder zwangsläufig vorliegend ausgewirkt, so dass rätselhaft bleibt, wie das Gericht hieran immer wieder anknüpfen kann. Der Kläger erhielt sogar einen Großteil der Behandlungskosten als notwendige Verwendungen zugesprochen. Da der Hund angeblich unheilbar krank gewesen sei – obwohl nicht einmal feststand, welche Krankheit der Hund tatsächlich hatte, weil der Gutachter die Annahme des behandelnden Tierarztes ungeprüft übernahm und das Gericht nicht zu einer kritischen Sicht hierauf zu bewegen war, wäre der Hund auch bei der Verkäuferin gestorben und deswegen müsse sich der Käufer nichts anrechnen lassen. Nur den Tierheilpraktiker musste die Verkäuferin nicht übernehmen, weil hier endlich das Gericht Zweifel an der Sinnhaftigkeit hatte.

Der Sachverständige Dr. Distl hat in seinem Gutachten festgestellt, dass nicht eindeutig nachzuweisen ist, dass das maligne T-Zell-Lymphom ursächlich mit dem hohen Inzuchtgrad des Hundes in Zusammenhang steht. Es obliegt jedoch dem Kläger, nachzuweisen, dass Schäden kausal durch den vorhandenen Mangel hervorgerufen werden. Wenn aber ein Zusammenhang mit einer Erkrankung nicht nachweisbar ist, so dürfte man eigentlich nicht, wie oben, einen Mangel annehmen, nur weil möglicherweise irgendwelche Folgen auftreten können. Dann hätte die Klage abgewiesen werden müssen. Obwohl es eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage Mangel oder nur Anlage zum Mangel gibt, die hier eindeutig einschlägig gewesen wäre, und das Landgericht hiervon abwich, mit absurder Begründung, ließ es die Revision nicht zu. So stellen Gerichte gelegentlich sicher dass der Unsinn, den sie schreiben, nicht aufgedeckt wird. Leider ist erst ab Mitte 2018 eine Nichtzulassungsbeschwerde ohne einen Mindeststreitwert möglich, die hiesige Beklagte hatte daher das Nachsehen und kann sich nur mit der Weisheit trösten, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist. Der Kläger konnte auch nicht nachweisen, dass der streitgegenständliche Hund bereits zum Übergabezeitpunkt an der Darmkrebserkrankung litt. Auch dies hat das Gericht nicht im Ansatz interessiert.

Eine Rechtsschutzversicherung kann die wie hier gesehen nicht unerheblichen Prozessrisiken, die durch die Notwendigkeit von Gutachten ggf. verschärft werden, abfedern. Denn auch der Prozessgewinner kann auf beträchtlichen Kosten sitzen bleiben, wenn der Schuldner nicht liquide ist, zumal außergerichtliche Anwaltskosten des Angegriffenen meist nicht vom Angreifer zu erstatten sind.

Grundsätzlich sollte man seine Ansprüche nicht ohne rechtlichen Beistand verfolgen, gleiches gilt naturgemäß für die Verteidigung gegen vermeintliche Ansprüche. Hilfe bei der Anwaltssuche bietet der Deutsche Anwaltsverein unter: www.anwaltsauskunft.de

Quelle: ©Frank Richter, Rechtsanwalt, Dossenheimwww.richterrecht.com

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